Wir hatten das Thema ja im House of MagnifiCats schon angesprochen, dazu kam mir nun dieser Fachartikel wieder vor die Füße:
https://doi.org/10.1016/j.anbehav.2017.11.002

Und aus aktuellem Anlass nehme ich das Thema hier mal wieder auf.
Eine Professorin für Biopsychologie am Institut für Kognitive Neurowissenschaft der Ruhr-Universität Bochum hat in einer internationalen Kooperation vorgeblich bedeutende Forschungsergebnisse über das Schlafverhalten von Katzen erarbeitet:
Bericht in der F.A.Z.
Bericht im Informationsdienst Wissenschaft (idw)
Originalpublikation "Lateralized sleeping positions in domestic cats" in Current Biology

Zusammenfassung aus idw:
"Katzen schlafen bevorzugt auf der linken Seite. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam, das mehrere hundert Youtube-Videos von schlafenden Katzen ausgewertet hat. Die Forschenden sehen in diesem Bias einen evolutionären Vorteil, weil er das Jagd- und Flucht-Verhalten nach dem Aufwachen begünstigt. Das Team der University of Bari Aldo Moro (Italien), der Ruhr-Universität Bochum, der Medical School Hamburg und weiterer Partner in Deutschland, Kanada, der Schweiz und der Türkei berichtet über die Studie in der Zeitschrift Current Biology, online veröffentlicht am 23. Juni 2025."

Aber ich find's schon merkwürdig – man weiß doch, es ist hinreichend erforscht und spätestens seit 2018 auch wissenschaftlich publiziert, daß es eine Genus-Asymmetrie der Lateralisation bei Katzen gibt (eben in besagter Studie zur Eröffnung dieses Threads. → wer da nicht rankommt, ich hab's als pdf). Diese Studcie scheint in der Bochumer Studie aber nicht einmal zur Kenntnis genommen zu sein.

Die Zuversichtlichkeit bei der Deutung der 'neuen' Bochumer Forschungsergebnisse macht mich daher etwas stutzig:
Zwar schreiben die Autoren "Obviously, other reasons for the lateralized sleeping pattern must also be considered", befassen sich dann aber nur mit dem Vergleichsbefund trächtiger (sic!) Kühe, die ja naturgemäss weiblich sind, "Given the way we collected the data, we obviously have no information about the sex or pregnancy status of the videotaped cats. Since even in pregnant cows this population asymmetry is low, it is not very likely that by chance we observed a majority of pregnant cats." Gibt es denn auch eine Genus-Asymmetrie der Lateralisation bei Kühen? Die Autoren selbst verneinen dies. Bei Katzen ist es aber bekannt und erforscht – also sollte der Faktor doch mit einbezogen werden?
Linkspfotler schlafen ja vielleicht anders als Rechtspfotler?
Die Autoren beziehen auch diese Frage in die Überlegung mit ein ("‘Pawedness’ could be a further factor that affects sleeping position. Indeed, about 78% ofcats show either left- or right-sided paw preferences. But since pawedness in cats displays an individual asymmetry with about equal numbers of left- and right-pawed cats, our population asymmetry in sleeping position of 65% is difficult to explain by paw preferences."), erklären sie aber für irrelevant, weil es "individual asymmetrie" sei und diese ungefähr gleich verteilt sei.
Wie nun aber, wenn in der untersuchten Population (das waren nur you-tube-Videos!) zufällig mehr Kater oder mehr Katzen waren, die eine genusinduzierte Lateralisation auch beim Schlafen haben?

Ich verstehs nicht.
Kater sind häufiger linkslateral, Katzen häufiger rechtslateral.

Allerdings fallen wir dabei etwas aus der Statistik.
Unsere rechtslaterale Katzendame Damla schläft tendenziell eher links.
Unsere andere, linkslaterale Katzendame Joseva schläft tendenziell wohl auch eher links. Sie ist aber auch die wechselhafteste von den Dreien.
Und unser linkslateraler Kater schläft tendenziell eher rechts.

Also wie nun?
Woran liegt es?
Wieviel Einfluss hat das Geschlecht darauf, wie Katz schläft, oder wieviel Einfluss hat die (statistisch) geschlechtsbedingte Lateralität auf die Schlafposition?

Oder geht es vielleicht darum, daß die dominante Pfote im Ernstfall schneller frei und aktiv ist?

Soo also nun – jetzt bin ich schlauer.

Das Ganze war sozusagen der etwas zu knapp schon in der Fachzeitschrift Current Biology geschriebene und in idw und F.A.Z. nochmals zu sehr geraffte Pilot-Bericht eines jetzt erst richtig anlaufenden internationalen Forschungsprojekts.
Wenn Ihr meine Meinung wissen wollt: etwas ungeschickt lanciert, wenn man die zickige und vielfach wissenschaftsfeindliche, lieber in populistischer Manier mit ihrer “Erfahrung” auftrumpfende Befindlichkeit sehr vieler in Social Media & co aktiven Katzenhütermenschen in Dland berücksichtigt. Aber dafür kann das Forschungsprojekt und die, die es betreiben, wenig bis nichts, schon allein deshalb, weil die meisten in der Forschung aktiven Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sich kaum viel in jenen Gefielden deutscher Katzenhütermenschen aufhalten dürften, wo Katzenforschung mal eben forsch für überflüssig erklärt wird [wie aktuell mal wieder geschehen].

Nun konkret zur Sache:
Eine Gruppe von Wissenschadftlern der International Graduate School of Neuroscience an der Ruhr-Universität Bochum hat über die Medien zur Beteiligung an einem Citizen-Science-Projekt (was ist das? klick) zur Katzenforschung aufgerufen.
Der öffentliche Aufruf über die HP der Ruhr-Universität hier, die offizielle Presseinformation der RUB hier.

Worum geht es?
Kurz und knapp gesagt, um eine Studie zur Untersuchung der Körperhaltung von Hauskatzen. Genauer, aber das wird nicht offen ausgesprochen, um die Objektivität der Datenerhebung nicht allzu sehr zu beeinflussen, um Lateralität, also darum, welche Körperseite Katzen bei bestimmten Tätigkeiten (oder generell) bevorzugen.

Zitat aus der Anmeldeseite zur Beteiligung an dem Projekt:

“Da wir Katzen nur schwer zu uns an die Universitäten einladen können, benötigen wir hierbei Ihre Hilfe. Zur Untersuchung der Körpersprache reichen uns kurze Videoaufnahmen, die jede*r selbst mit dem Handy machen kann. Wir hoffen daher möglichst viele Katzenbesitzer*innen zu finden, die unsere Forschung unterstützen möchten. Hierfür benötigt man keine spezielle wissenschaftliche Ausbildung, sondern jede*r der die möchte, kann zur Forschung beitragen - im Englischen spricht man hier von Citizen Science.
Neben dem deutschen Team aus Hamburg und Bochum, die Ihre direkten Ansprechpartner bei dieser Studie sind, wird die Studie gleichzeitig auch in Italien, der Türkei und Kanada durchgeführt. Wir hoffen so nicht nur eine größere Menge an Videos zu erhalten, sondern auch das Zusammenleben von Menschen und Katzen in unterschiedlichen Ländern vergleichen zu können.”

Ergänzend, weil ich eine der projektverantwortlichen Professorinnen einfach mal angeschrieben habe, und sie mir direkt sehr nett geantwortet hat:
Es handelt sich um ein breit international angelegtes Projekt. Die grundsätzliche Idee kam aus Kanada, und dann wurde das Studiendesign noch zusammen mit anderen Institutionen und Universitäten gemeinsam international ausgearbeitet. Eine gemeinsame Webseite der beteiligten Länder und Institutionen gibt es einfach deshalb nicht, weil jedes Land eigene Bestimmungen zu Ethik und Datenschutz und Genehmigungen usw. hat, jedes Land muss also eine separat genehmigte Studie durchführen, die anonymen (!) Daten sollen aber am Ende zusammengeführt werden. Die Finanzierung des Projekt steckt wohl noch in den Anfängen, Drittmittel gibt es bisher nicht. Für die Auswertung der Daten ist dann geplant, gezielt Abschlussarbeiten mit einzubinden.

Ich finde das alles sehr interessant und spannend.
Wir haben uns mit Duman, Damla und Joseva angemeldet, auch DJD’s Patin hat das schon getan. Es wird alles anonymisiert, und ja, es macht ein bisschen Mühe, aber
— erstens: wie sonst sollte solides wissenschaftlich überprüfbares Katzenwissen jenseits von Geschrei und unbelegten Behauptungen zustande kommen, wenn nicht durch Katzenforschungsprojekte?
— zweitens: wies sonst sollten solche Projekte an Probanden kommen, wenn nicht durch uns, die wir unsere Katzen kennen, lieben und verstehen?
und
—drittens: wir MagnifiCats haben schon in zwei Tagen Versuch, die ‘Aufgaben’ zu erfüllen, etwas über unsere Katzen gelernt, einfach weil wir bestimmte Vorgaben zu erfüllen versuchten, an die wir noch nie gedacht haben*

Also, wer macht mit?
(disclaimer: wir wohnen zwar in Bochum, aber kennen niemanden von den Projektbeteiligten und sind auch sonst nicht damit irgendwie verbandelt)


*Beispiel: eine Aufgabe ist, die Katze dabei zu filmen, wie sie zur Begrüssung mit erhobenem Schwanz auf uns zu läuft. Ok, Duman macht das mit seinem Kringelschwanz. Joseva schlenket aber immer mit ihrem Schwanz dabei hin und her. Und Damla?? Nein, die begrüsst uns nie mit erhobenem Schwanz, sondern mit lässig hängendem Schwanz. Damla geht nur vor uns her mit erhobenem Schwanz. Von Damla wird es also nur Popo-Videos geben.
Das war uns vorher nie aufgefallen – und wir behaupten mal … eigentlich … daß wir sowas bei unsern Katzen im Blick haben. Denkste!